Fein gehackt und grob gewürfelt by Julian Barnes
Autor:Julian Barnes [Barnes, Julian]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-462-30606-4
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch Verlag
veröffentlicht: 2015-07-20T00:00:00+00:00
Service mit bösem Blick
Marcella Hazan bringt in ihrem Standardwerk Die klassische italienische Küche auch ein Rezept für gebackene Blaufisch-Filets mit Kartoffeln, Knoblauch und Olivenöl à la Genuese. Ich ging zu einem Fischhändler, dessen Laden ich im Allgemeinen mit einer gewissen Beklommenheit betrete. Man bekommt gute Ware, man darf gutes Geld dafür hinlegen, muss sich aber oft von zwei tätowierten Komikern verulken lassen.
»Haben Sie Blaufisch?«, fragte ich.
»Blaufisch«, echote der Händler, als hätte er nur auf dieses Stichwort gewartet. »Wir haben Graufisch, Rosafisch, Gelbfisch â¦Â« Während er seine Hackbank nach weiteren witzigen Farbtönen absuchte, wurde ich immer verzagter.
Kochen fängt mit dem Einkauf an, und wenngleich ich wahrscheinlich nie an einem Kochkurs teilnehmen werde, wäre ich gern bereit, mich zu einem Einkaufskurs anzumelden. Unter den Referenten müsste ein Ernährungswissenschaftler sein, ein Autor zum Thema Essen und Trinken, ein Spieltheoretiker und ein Psychologe. Ich weià noch, wie mich meine Mutter kurz nach Aufhebung der Rationierung in England zum Einkaufen mitnahm und mir dabei klar wurde, was für eine heikle Angelegenheit dieser alltägliche Vorgang ist. Finanziell und gesellschaftlich war meine Mutter der Boss, er, der Händler (und damit fangen die Probleme schon an â es war immer ein Er und ist es in aller Regel auch weiterhin) hatte die Verfügungsgewalt über das Angebot; sie wusste, was sie wollte, er wusste, was er hatte; sie konnte sich weigern, einen bestimmten Preis zu zahlen, er konnte sich weigern, das rauszurücken, was sie brauchte, selbst wenn er es hatte. Das Ganze wirkte â und wirkt bisweilen noch immer â wie eine sinnlose Machtprobe mit einer gelegentlichen Prise Klassenkampf. Da war bestenfalls eine gewisse Komplizenschaft möglich, aber selten mehr als eine gekünstelte Gleichberechtigung.
Darum stimmt es den Pedanten nicht unbedingt fröhlich, wenn ein Rezept mit den Worten beginnt: »Lassen Sie sich von Ihrem Schlachter â¦Â« oder »Rufen Sie vorher Ihren Fischhändler an und sagen Sie ihm â¦Â« Ich kenne zwar ein paar ausgezeichnete Schlachter, Fischhändler und Obst- und Gemüseläden, aber ich würde keinen davon als »meinen« bezeichnen. Ebenso treffe ich manchmal auf einen unnötig bärbeiÃigen Schlachter, der, wenn man zögernd seine Wünsche vorbringt, sich im Handumdrehen irgendwas greift, es einem für eine Nanosekunde mit einem verächtlichen »Recht so?« zur Begutachtung hinhält, es schneller auf die Waage legt und wieder runternimmt, als man gucken kann, und dabei einen Preis bekannt gibt, der nach allem, was man weiÃ, sehr wohl ein wenig spekulativ sein könnte.
Aber er verkauft erstklassiges Fleisch. Nur ein einziges Mal gab Mister Unnötig BärbeiÃig sich etwas umgänglicher, und das war während der BSE â Krise; allerdings war der Anblick angeborener BärbeiÃigkeit mit einem Zuckerguss zeitweiliger Liebedienerei nichts für empfindliche Mägen. Der beklagenswerte Siegeszug der Supermärkte geht auf viele Faktoren zurück, doch die Ausschaltung eines potenziell unangenehmen gesellschaftlichen Kontakts ist bei Weitem nicht der geringste davon. Wer sich die Leute ansieht, die in den Fleischabteilungen der Supermärkte bedienen, der erkennt sofort, dass sie zwar als Schlachter verkleidet sind, aber nicht den entsprechenden Charakter haben; sie pflegen den höflichen, nicht bedrohlichen Umgangston von Angestellten, die darauf trainiert sind, die Tatsache zu beschönigen, dass Fleisch von toten Tieren stammt.
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